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ERIC BONSE
EUROPÄISCHE
MEDIENDISKURSE
ZU AUSTERITÄT
UNIVERSITÄT BONN, 22.04.16
EUROPÄISCHE MEDIENDISKURSE ZU AUSTERITÄT
ÜBERBLICK
 Einleitung
 Die europäische Dimension
 Deutschland und die griechische Schuldenkrise: Austerität oder
Austritt
 Frankreich und die gefürchtete Austerité: Zwischen Solidarität und
Selbstvergewisserung
 Die EU und die Medien: Austerität als Institution
 Zusammenfassung und Fazit
EINLEITUNG
 Das Thema Austerität hat Politik und Medien in Europa intensiv beschäftigt
 Trotz der jahrelangen Debatte hat sich keine eindeutige, allgemein gültige
Deutung des Begriffs durchgesetzt
 Im englisch- und französischsprachigen Europa ist Austerität bad news, in
Deutschland ist es good news
 Dahinter verstecken sich nicht nur verschiedene wirtschaftspolitische
Traditionen, sondern auch Verteilungs- und Machtfragen.
 Der mediale Diskurs reflektiert auch die Stellung im nationalen und
europäischen Machtgefüge.
EUROPÄISCHE MEDIENDISKURSE ZU AUSTERITÄT
EUROPÄISCHE MEDIENDISKURSE ZU AUSTERITÄT
DIE EUROPÄISCHE DIMENSION
Die Mediendiskurse lassen sich grob drei Gruppen zuordnen:
 In der Gläubigerländern wird Austerität als Notwendigkeit, wenn nicht (wie in
Deutschland) als „alternativlose“ Selbstverständlichkeit gesehen und kaum
problematisiert. Wenn überhaupt, dann ist Widerstand gegen Austerität ein Problem,
nicht die Sparpolitik an sich.
 In den Schuldenländern nimmt Austerität einerseits die Form eines unerwünschten
„Diktats“ an, das aus Brüssel oder Berlin kommt. In der täglichen Praxis kommt sie aber
als Notwendigkeit daher, die von Verträgen abgesichert wird - und die nationale
Regierung bindet.
 Auf der EU-Ebene, also bei den Institutionen in Brüssel, wird Austerität in bürokratischen
Regeln und Verfahren institutionalisiert und damit unkenntlich gemacht. Der offizielle
Diskurs wird von Begriffen wie Konsolidierung geprägt, um Streit aus dem Weg zu gehen.
DEUTSCHLAND: AUSTERITÄT ODER AUSTRITT
 Die Kosten der Austerität wurden kaum thematisiert
 Die Debatte konzentrierte sich auf die Frage, ob und unter welchen
Umständen Griechenland im Euro bleiben könnte
 Es kam zum Krieg der Worte mit der EU-Kommission - und zu einer
Kampagne gegen die griechische Regierung
 Gegenläufige Positionen etwa in Frankreich wurden kaum noch
wahrgenommen
 Letztlich markiert der Streit das Entstehen einer neuen medialen
Hegemonie im deutschen Europa, die von einer bisher nicht gekannten
Zuspitzung und Personalisierung begleitet ist
EUROPÄISCHE MEDIENDISKURSE ZU AUSTERITÄT
EUROPÄISCHE MEDIENDISKURSE ZU AUSTERITÄT
FRANKREICH: SOLIDARITÄT UND SELBSTVERGEWISSERUNG
 Frankreich konnte der Hegemonie Deutschlands im Schuldenstreit mit
Griechenland wenig entgegensetzen
 Französische Medien starrten mit einer Mischung aus Faszination und
Fassungslosigkeit auf die deutsche Debatte
 Griechenland und die Austerität dienten als negative Folie, um die
Probleme Frankreichs zu relativieren
 Das Leitmotiv war die Selbstvergewisserung: „Wir sind nicht (das
nächste) Griechenland“
 Das Thema Austerität bleibt in Frankreich negativ besetzt
EUROPÄISCHE MEDIENDISKURSE ZU AUSTERITÄT
DIE EU: AUSTERITÄT ALS INSTITUTION
 In den EU-Institutionen wurde das Thema Austerität rund um die
Europawahl 2014 intensiv diskutiert
 Während des Wahlkamps sprachen sich alle Kandidaten für eine Abkehr
vom Sparkurs aus
 Im Streit um Griechenland positionierte sich Juncker als Vermittler und
Garant einer „sozialverträglichen“ Lösung
 Diese Strategie ging nicht auf, die EU hat im Schuldenstreit mit
Griechenland eine mediale Schlacht verloren
 Heute ist Austerität in Brüssel ein Unwort; gleichzeitig wird sie von „den
Institutionen“ wieder genau wie früher praktiziert
EUROPÄISCHE MEDIENDISKURSE ZU AUSTERITÄT
ZUSAMMENFASSUNG UND FAZIT
 Wie so oft bei medialen Diskursen steht der Konflikt im Vordergrund, der
zuletzt vor allem auf der deutschen Bühne ausgetragen wurde
 Außerdem geht es um Personen (Varoufakis, Schäuble) und um Symbole
(Troika), an denen sich dieser Konflikt festmachen lässt
 Austerität hat sich dabei als allzu abstraktes Konzept erwiesen, das in einer
existentiellen Krise wie in Griechenland leicht in Vergessenheit gerät
 Demgegenüber wirken die Personen und Symbole fort: Varoufakis als
Verlierer, Schäuble und die Troika als Gewinner
 Allerdings geht der Krieg der Worte weiter, Austerität hat einfach einen neuen
Namen bekommen - in den Institutionen lebt sie fort
ERIC BONSE
DANKE FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT!
Kontakt: mail@ericbonse.eu
Twitter: @lostineu

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Europäische Mediendiskurse zu Austerität

  • 2. EUROPÄISCHE MEDIENDISKURSE ZU AUSTERITÄT ÜBERBLICK  Einleitung  Die europäische Dimension  Deutschland und die griechische Schuldenkrise: Austerität oder Austritt  Frankreich und die gefürchtete Austerité: Zwischen Solidarität und Selbstvergewisserung  Die EU und die Medien: Austerität als Institution  Zusammenfassung und Fazit
  • 3. EINLEITUNG  Das Thema Austerität hat Politik und Medien in Europa intensiv beschäftigt  Trotz der jahrelangen Debatte hat sich keine eindeutige, allgemein gültige Deutung des Begriffs durchgesetzt  Im englisch- und französischsprachigen Europa ist Austerität bad news, in Deutschland ist es good news  Dahinter verstecken sich nicht nur verschiedene wirtschaftspolitische Traditionen, sondern auch Verteilungs- und Machtfragen.  Der mediale Diskurs reflektiert auch die Stellung im nationalen und europäischen Machtgefüge. EUROPÄISCHE MEDIENDISKURSE ZU AUSTERITÄT
  • 4.
  • 5.
  • 6.
  • 7.
  • 8. EUROPÄISCHE MEDIENDISKURSE ZU AUSTERITÄT DIE EUROPÄISCHE DIMENSION Die Mediendiskurse lassen sich grob drei Gruppen zuordnen:  In der Gläubigerländern wird Austerität als Notwendigkeit, wenn nicht (wie in Deutschland) als „alternativlose“ Selbstverständlichkeit gesehen und kaum problematisiert. Wenn überhaupt, dann ist Widerstand gegen Austerität ein Problem, nicht die Sparpolitik an sich.  In den Schuldenländern nimmt Austerität einerseits die Form eines unerwünschten „Diktats“ an, das aus Brüssel oder Berlin kommt. In der täglichen Praxis kommt sie aber als Notwendigkeit daher, die von Verträgen abgesichert wird - und die nationale Regierung bindet.  Auf der EU-Ebene, also bei den Institutionen in Brüssel, wird Austerität in bürokratischen Regeln und Verfahren institutionalisiert und damit unkenntlich gemacht. Der offizielle Diskurs wird von Begriffen wie Konsolidierung geprägt, um Streit aus dem Weg zu gehen.
  • 9. DEUTSCHLAND: AUSTERITÄT ODER AUSTRITT  Die Kosten der Austerität wurden kaum thematisiert  Die Debatte konzentrierte sich auf die Frage, ob und unter welchen Umständen Griechenland im Euro bleiben könnte  Es kam zum Krieg der Worte mit der EU-Kommission - und zu einer Kampagne gegen die griechische Regierung  Gegenläufige Positionen etwa in Frankreich wurden kaum noch wahrgenommen  Letztlich markiert der Streit das Entstehen einer neuen medialen Hegemonie im deutschen Europa, die von einer bisher nicht gekannten Zuspitzung und Personalisierung begleitet ist EUROPÄISCHE MEDIENDISKURSE ZU AUSTERITÄT
  • 10.
  • 11. EUROPÄISCHE MEDIENDISKURSE ZU AUSTERITÄT FRANKREICH: SOLIDARITÄT UND SELBSTVERGEWISSERUNG  Frankreich konnte der Hegemonie Deutschlands im Schuldenstreit mit Griechenland wenig entgegensetzen  Französische Medien starrten mit einer Mischung aus Faszination und Fassungslosigkeit auf die deutsche Debatte  Griechenland und die Austerität dienten als negative Folie, um die Probleme Frankreichs zu relativieren  Das Leitmotiv war die Selbstvergewisserung: „Wir sind nicht (das nächste) Griechenland“  Das Thema Austerität bleibt in Frankreich negativ besetzt
  • 12.
  • 13. EUROPÄISCHE MEDIENDISKURSE ZU AUSTERITÄT DIE EU: AUSTERITÄT ALS INSTITUTION  In den EU-Institutionen wurde das Thema Austerität rund um die Europawahl 2014 intensiv diskutiert  Während des Wahlkamps sprachen sich alle Kandidaten für eine Abkehr vom Sparkurs aus  Im Streit um Griechenland positionierte sich Juncker als Vermittler und Garant einer „sozialverträglichen“ Lösung  Diese Strategie ging nicht auf, die EU hat im Schuldenstreit mit Griechenland eine mediale Schlacht verloren  Heute ist Austerität in Brüssel ein Unwort; gleichzeitig wird sie von „den Institutionen“ wieder genau wie früher praktiziert
  • 14.
  • 15. EUROPÄISCHE MEDIENDISKURSE ZU AUSTERITÄT ZUSAMMENFASSUNG UND FAZIT  Wie so oft bei medialen Diskursen steht der Konflikt im Vordergrund, der zuletzt vor allem auf der deutschen Bühne ausgetragen wurde  Außerdem geht es um Personen (Varoufakis, Schäuble) und um Symbole (Troika), an denen sich dieser Konflikt festmachen lässt  Austerität hat sich dabei als allzu abstraktes Konzept erwiesen, das in einer existentiellen Krise wie in Griechenland leicht in Vergessenheit gerät  Demgegenüber wirken die Personen und Symbole fort: Varoufakis als Verlierer, Schäuble und die Troika als Gewinner  Allerdings geht der Krieg der Worte weiter, Austerität hat einfach einen neuen Namen bekommen - in den Institutionen lebt sie fort
  • 16. ERIC BONSE DANKE FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT! Kontakt: mail@ericbonse.eu Twitter: @lostineu